Verfressen, sauschnell, unkaputtbar. by Hannes Sprado

Verfressen, sauschnell, unkaputtbar. by Hannes Sprado

Autor:Hannes Sprado [Hannes Sprado]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783960480686
Herausgeber: Ullstein
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Überleben als Prinzip

Ein Lob den Reflexen

Die Kakerlake bringt alle Voraussetzungen mit, um als blondes Dummchen in einer Telenovela aufzutreten: Sie kann wenig, weiß selten etwas und kapiert nichts. Aber kaum ein anderes Lebewesen hat das Grundprinzip des Lebens – sich zu vermehren – so radikal verwirklicht wie sie. Übertroffen wird sie dabei nur von wenigen, etwa von den Viren. Wenn man den Erfolg eines Lebewesens danach bemisst, wie viele Exemplare davon existieren, dann gehen diese als eindeutige Sieger vom Feld. Von keinem anderen Wesen gibt es eine derart große Anzahl auf unserem Planeten. Viren haben keinen Stoffwechsel, sie bewegen sich nicht, sie fressen nicht. Ihr einziges Ziel ist es, Nachkommen hervorzubringen. Sie sind zehnmal häufiger als Bakterien. Das Magazin GEO hat ausgerechnet: »Wäre ein winziger Viruspartikel so groß wie ein Sandkorn, dann würden alle Viren (geschätzte 100 Millionen Typen soll es geben, darunter Pocken und Polio) die komplette Erdoberfläche mit einer rund 15 Kilometer dicken Sandschicht bedecken.« Ein Grippevirus misst aber zum Glück nur etwa 0,12 Tausendstel Millimeter und ist damit guter Durchschnitt.

Mensch und Kakerlake begegneten sich zum ersten Mal vor ungefähr zwei Millionen Jahren. Ein Glücksfall für die robusten Insekten, für uns Menschen ein ausdauerndes Desaster. Zu keinem anderen Tier pflegen wir eine so zwiespältige Beziehung. Wir halten sie für Außenseiter. Aber sie sind Teil unserer Gesellschaft. Eine Begegnung mit den kleinen Fressern kann jedoch zuweilen ungeheuerliche Ausmaße annehmen. So etwa im Sommer 1979, als Schenectady, eine Stadt am Mohawk River im US-Bundesstaat New York, schier Grauenvolles erlebte:

Ein Mann hatte bei der Polizei angerufen, weil die Hunde seiner Nachbarin seit Stunden wie wild bellten. Als sich die beiden Polizisten nun dem Haus näherten, in welchem die 64-jährige Witwe mit 24 Hunden und 22 Katzen lebte, waren sie kein bisschen auf das vorbereitet, was sie erwartete: eine schwarze Masse. Kakerlaken! Die Tiere strömten die Fenster und Außenwände des Hauses herunter, regneten von den Bäumen im Garten, ergossen sich in einem Riesenschwall auf die Straße. Auch im Haus: Kakerlaken überall. Eine ganze Armee von ihnen tummelte sich auf dem Fußboden, an den Wänden, auf den Möbeln, an der Decke. Alles war schwarz. Frau, Hunde und Katzen lebten, waren aber übersät mit Kakerlaken-Bissen.

Als sich die beiden Polizisten von ihrem Schock erholt hatten, schrieben sie unfreiwillig komisch in ihr Protokoll: »Es müssen mehr als eine Million Tiere gewesen sein, die sich der Festnahme widersetzten.« Mehr Schaben, als zwei Fußballmannschaften in einem Spiel zertreten könnten …

In gewaltigen Wellen flüchteten die Tiere nach dem Öffnen der Haustüre nach draußen und verstreuten sich in die umliegenden Viertel. Niemand sah sie je wieder. Jedenfalls nicht zusammen. Bis heute gelten die Invasoren von Schenectady als die größte je in einem Haushalt entdeckte Kakerlakenpopulation.

Vielleicht haben es einige Nachkommen der damaligen Hausbesetzer bis nach Washington geschafft, denn in den 90er Jahren wurde das Pentagon Jahr für Jahr von einem Riesenheer Kakerlaken besetzt. Das Pentagon, in dem sich das Verteidigungsministerium der USA befindet, ist eines der größten (wenn auch nicht höchsten) und sichersten Gebäude der Welt – jedoch nicht sicher genug, um die gerissenen Eindringlinge fernzuhalten.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.